Janik Bürgin
I saw a shooting star and thought of you
Ausstellung:
8. September bis 21. Oktober 2023
Vernissage:
Donnerstag, 7. September 2023, 18.30 Uhr
Einführung durch Anna Konstantinova, Projektleiterin Art Vontobel
Artist Talk:
Samstag, 23. September 2023, 15 Uhr
Moderiert durch Olga Osadtschy, Foto- und Medienhistorikerin /
Assistenzkuratorin Kunstmuseum Basel
Finissage:
Samstag, 21. Oktober 2023, 13 bis 17 Uhr
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Freitag 17 - 19 Uhr
Samstag 13 - 17 Uhr
oder nach Vereinbarung
I saw a shooting star and thought of you
Zufall und Schicksal. Diese beiden Komponenten des Lebens betreffen uns alle und können kaum gesteuert werden. Sie prägen unseren Alltag, führen zu Veränderungen, beeinflussen den Ablauf der Dinge und leiten uns zu dem Abschnitt des Lebens, an dem wir uns augenblicklich befinden.
Eine solche Aneinanderreihung von Veränderungen hält Janik Bürgin in seiner umfangreichen Serie WALKING WITH THE WIND fotografisch fest. Landschaften, Porträts, Tiere, Wolken, Detailaufnahmen, Schattenspiele – so vielfältig die einzelnen Aufnahmen von WALKING WITH THE WIND in ihren Motiven auch zu scheinen mögen, so sind sie inhaltlich umso enger miteinander verknüpft, basieren aufeinander und ergänzen sich. 2019 nahm Janik Bürgin die ersten Fotografien der Serie auf. Zu Beginn standen Orte im Zentrum, zu denen er einen Bezug hatte und mit denen er eine Erfahrung in Verbindung setzte. Die anfangs landschaftlich orientierten Themen expandierten mit der Zeit. Mit der Verarbeitung von Ereignissen wie der Trennung von einer Freundin, dem Kennenlernen neuer Personen oder dem Fällen einer Entscheidung, erweiterte sich Bürgins Blick. Situationen und Kompositionen, Orte und Beziehungen, die zuvor womöglich fotografisch wenig Beachtung fanden, wurden nun zum Sujet der Aufnahmen. Nur durch Veränderungen kann ein neuer Schritt gegangen und nur durch einen neuen Schritt kann ein neuer Blickwinkel eröffnet werden. Bürgin lässt sich von diesen Veränderungen treiben und leiten. Trotzdem werden die Fotografien aktiv aufgenommen und sind keine Ergebnisse einer blossen Schlenderei mit der Kamera. Bewusst wird die Kamera eingesetzt, bewusst wird eine gewisse Unschärfe genutzt, bewusst wird nach keiner technischen Perfektion gestrebt, bewusst wird analog und digital fotografiert. Während die digitale Kamera für Bürgin die Schnelligkeit des Mediums unterstreicht, stellt die analoge Fotografie eine Verlangsamung des Prozesses dar. Das Changieren der Geschwindigkeit spiegelt sich in den Aufnahmen wider.
Hierbei geht es weniger um die Frage, welche Fotografie mit welcher Kamera aufgenommen wurde, sondern vielmehr um das Gefühl von Zeit, welche uns die Aufnahmen vermitteln. Die fliegenden Wolkenkonstrukte scheinen in ewigem Ruhestand zu sein, während die kompakten Bergketten mit jedem Blick lebendiger wirken. So hat auch die Abwesenheit der Farbe eine klare Bedeutung. Wir sehen die Welt nie, wie sie der Schwarzweissfilm wiedergibt. Es ist eine nichtexistentielle Welt, die trotzdem unsere Realität ist und infolgedessen Leerstellen besitzt, die durch den Fotografen sowie uns Betrachtende ausgefüllt werden müssen. Denn auch wenn die Aufnahmen eine dokumentarische Verarbeitung des Verlaufs der vergangenen Ereignisse des Fotografen sind, so sind die Bilder keine reine Dokumentation. Janik Bürgin offenbart intime Erinnerungen, Erlebnisse, Emotionen und erlaubt den Betrachtenden nicht nur einen Einblick in seine Welt, sondern fordert sie dazu auf, die Fotografien aus der eigenen Perspektive aufzufassen und auf die eigenen Erfahrungen zu übertragen. Es gelingt Bürgin in dieser Serie nicht nur ein grosses Stück seiner persönlichen Realität preiszugeben, sondern gestattet das Erlebnis einer individuellen Bilderfahrung.
WALKING WITH THE WIND ist eine Auseinandersetzung mit dem Fluss des Lebens, von der Quelle bis zur Mündung. Jede unberechenbare Strömung, jeder massive Fels, jeder plötzliche Regenfall leitet das fliessende Wasser in seinem Verlauf. Zufall und Schicksal.
Janik Bürgin
Das fotografische Werk von Janik Bürgin (* 1994) gliedert sich in serielle Schwerpunkte, deren Formsprache zwischen Abstraktion und Figuration, Nah- und Fernsicht oszilliert. Das Medium der Fotografie schöpft Bürgin mit gezielt malerischem Bestreben aus: Er setzt sich mit den traditionellen Genres der Malerei auseinander und schafft so Bilder von Menschen, Landschaften und Situationen, welche seiner eigenen gelebten Realität entspringen. Darüber hinaus setzt der Künstler die Mittel der Fotografie zur Entwicklung einer eigenen Bildsprache ein – eine Bildsprache, die sich gleichsam jener der abstrakten Malerei annähert. Die kontrastreichen Farbflächen und sanft geschwungenen Formfragmente gehen jedoch nicht auf die Abwesenheit eines konkreten Gegenstandsbezugs zurück. Ausgangspunkt des Schweizer Künstlers sind immer greifbare, plastische Objekte, die aufgrund der gegebenen Nahansicht und ihrer damit zusammenhängenden Unschärfe auf sensorische Farb- und Formeigenschaften reduziert werden. Bürgin spielt insofern mit den Grenzen des Sichtbaren und der medialen Wandelbarkeit der Fotografie. Er eröffnet fundamentale Diskurse, die unser Zeitgeschehen ebenso beschäftigen wie bezeichnen: philosophisch-existentielle Fragen, die Schicksal und Zufall verhandeln, oder kritische Auseinandersetzungen mit der zunehmenden Verschmutzung unseres Planeten durch Plastikmüll. Marlen Bürgi
Tauben, 2021/2023 © Janik Bürgin